Noten & Co.: Über falsche Selektoren im Recruiting

Im Studentenrecruiting bieten sich Unternehmen vielfältige Möglichkeiten. Praktika, Abschlussarbeiten, Werkstudententätigkeiten. Dabei erhalten gerade größere Unternehmen für Praktika oft eine Flut von Bewerbungen. Dies wirft die Frage aus: Wie können die Personalabteilungen aus so vielen Bewerbungen eigentlich den richtigen Kandidaten herausfiltern? Im Umkehrschluss stellen sich die Bewerber die Frage: Wann habe ich eigentlich realistische Chancen bei meiner Bewerbung?

Fokus: Uni und Noten

Gibt es viele Bewerber, zählen zwangsläufig bei der Durchsicht der Dokumente zunächst einmal die Kriterien, bei denen klar gefiltert werden kann. An welcher Universität oder Hochschule hat der Bewerber studiert? Welche Abschlussnote hat er erzielt?  Wie viele und welche relevanten Praktika wurden schon absolviert? Während dies eine praktikable Methode zur ersten Auswahl zu sein scheint, so fallen doch hier bereits viele spannende Kandidaten durch’s Sieb. Denn: Noten und Universitätsname sind stets nur Proxy-Variablen für die akademische und persönliche Eignung der Bewerber für die ausgeschriebene Stelle. Während ein solches Vorgehen also den Personalabteilungen beachtlich Zeit und Mühen spart, wird dennoch eine fatale Abkürzung genommen – denn die wirkliche Bewerbungsmotivation kann kaum identifiziert werden. Warum bewirbt sich der Studierende gerade hier?

Neben den Noten viel wichtiger: „What’s your why“

Während des persönlichen Bewerbungsgespräch wird dann – oft schon routinemäßig – gefragt, warum der Bewerber sich denn gerade bei diesem Unternehmen beworben hat. Als Antwort werden dann – oft ebenfalls routinemäßig – stets anwendbare Floskeln aufgesagt. Die wirkliche Motivation für die Bewerbung kann auch hier nur durch kritisches Nachfragen ausgemacht werden. Die Bewerbungsmotivation ist aber tatsächlich einer der besten Indikatoren dafür, ob der Studierende auch für eine Festanstellung offen ist und somit dafür, ob sich der Recruitingaufwand und die Einarbeitungszeit seitens des Unternehmens lohnt.

Denn kein Unternehmen möchte in einen Studierenden investieren, wenn dieser für eine Festanstellung kaum in Frage kommt. Dies wird insbesondere relevant, je später sich der Studierende im Studium befindet. Schreibt dieser beispielsweise gerade seine Bachelor- oder Masterarbeit, so achtet das Unternehmen naturgemäß darauf, dass der Studierende auch potentiell übernommen werden könnte. Ist dieser also hinreichend motiviert, interessiert sich insbesondere für die Themen, an denen das Unternehmen gerade forscht, so sind die besten Voraussetzungen gegeben, damit die Kooperation auch über die Abschlussarbeit hinaus geht.

Ungenutztes Potential: Forschungsthemen als Chance begreifen

Personaler in den Unternehmen sind sich der Schwächen ihrer Auswahlmechanismen bekannt. Man setzt viel daran, den Kandidaten schon in einem möglichst frühen Stadium persönlich kennenzulernen und auch in einem informellen Kontext auf seine Eignung zu überprüfen, zumal Soft Skills schwierig über den Lebenslauf kommunizierbar sind. Ein weiterer Ansatz, den best-practice Unternehmen bereits vermehrt anwenden, ermöglicht es Unternehmen aber auch, schon in einem Schritt früher die Motivation der Bewerber gezielt zu überprüfen. Und wie? Indem die Forschungsthemen der Unternehmen gezielt als Marketing-Instrument begriffen werden, um hochqualifizierte Studierende anzulocken.

Studierende interessieren sich besonders für Themen – kennen aber stets nur eine kleine Zahl an Unternehmen direkt. Wenn das Unternehmen die Themen der Tätigkeit bei den Ausschreibungen in den Vordergrund stellt, wird so bereits ein erster Filter angesetzt: Es bewerben sich nur die Studierenden, die sich wirklich für das Thema interessieren und bei denen im Anschluss die Wahrscheinlichkeit deutlich höher ist, dass sie auch im Unternehmen verbleiben. Dieses spezielle Marketing-Instrument kann man zunächst sehr selektiv einsetzen, beispielsweise bei der Ausschreibung für eine Bachelor- oder Masterarbeit. Statt einen „Masterand“ oder „Bachelorand“ für ein Themenfeld zu suchen und somit gleichsam mit allen Unternehmen verglichen zu werden, die ebenfalls auf der Suche nach einem „Masterand“ oder „Bachelorand“ sind, kann ganz einfach das Thema in den Vordergrund gerückt werden. Somit konkurriert man in einem ersten Schritt primär mit den Themen anderer Unternehmen, statt über klassische Employer Branding Variablen wie Unternehmensname, Ort und Marketingbudget.
Und das Gute: Auch, bzw. gerade mittelständische Unternehmen können über Themen einfacher hochqualifizierte Studierende ansprechen. Denn ihre Themen sind höchstgradig wettbewerbsfähig, während ihr Marketingbudget natürlich nicht mit dem der großen Unternehmen zu vergleichen ist. Somit eröffnet sich ein ganz neuer Recruitingkanal, der für bestimmte Stellen gezielt und überregional hochqualifizierte Studierende anspricht. Als Ergänzung der klassischen Recruiting-Möglichkeiten sicherlich einen Versuch wert.

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